Mittwoch, 16. September 2020

Erinnerungen an ...

 ... vergangene Sommertage!

Die letzten paar Tage war es recht heiß hier in den Niederlanden. Überall spinnt das Wetter ein wenig, doch gegen Sonne und Hitze hab’ ich nichts einzuwenden. Im Gegenteil, für mich kann es nicht warm genug sein.

Meine Füße bade ich in einer wunderschönen Waschschüssel der vergangenen Tage, ein Nachlass meiner Schwiegermutter, die vor 2 Jahren verstorben ist. Ihr haben wir es zu verdanken, dass wir hier in ihrem Haus und Garten leben dürfen. Der Garten hat etwas Magisches, das rauschen der Baumwipfeln die sich im Wind bewegen, das plätschern der Enten im Wasser. Immer wieder gibt es Schatten und Sonne zu suchen und finden.

Die Waschschüssel hat Erinnerungen in mir geweckt von wunderschönen Sommerferien in der Vojvodina im heutigen Serbien. Das Elternhaus meiner Mutter steht in Becej in der Vojvodina und fast jeden Sommer verbrachten wir dort 3-4 Wochen.  In der Vojvodina lebten und leben heute auch Menschen mit ungarischen Wurzeln. Meine Mutter stammt aus so einer Familie.

Ich liebe den Klang der Sprache, das Essen und dieses Aufbrausende, dass aber sehr schnell wieder vorüber ist, wie ein kurzer Wirbelsturm. Es wird geküsst, geherzt, bekocht und viel geredet, hart gearbeitet und scharf gegessen. Kinder werden auf eine ganz andere Art und Weise verhätschelt und getadelt zugleich. Manieren sind wichtig und werden äußerst gern gesehen und auch belohnt. Ich liebte diese Sommerferien sehr, obwohl ich der Sprache nicht wirklich mächtig war und bin, doch manchmal braucht man gar keine Sprache, wenn man so sehr spürt, dass man gut ist so wie man ist.

Meine Großmutter wohnte in einem großem altem Lehmhaus. Von aussen war das nich zu sehen, erst wenn man durch die Tür in den Vorraum ging, merkte ich jedesmal wie angenehm kühl es im Haus war und wie dick die Wände waren. Sehr dicke Wände Aus Lehm und Stroh, sehr fein verputzt, die mit einem Muster bemalt waren . Außen war das Haus weiss gestrichen. Aber um zur Eingangstür zu kommen musste man erst durch ein großes Tor gehen und wurde von Rosen begrüßt, die an der Veranda entlang wuchsen. Meine Großmutter hatte 2 Küchen. Eine im Haus, doch da hab ich sie nie kochen gesehen und eine Sommerküche auf der Veranda. Hier wurde immer gekocht, egal wie heiß es war. Sie konnte sehr gut kochen und obwohl für mich alles gut war und immer ein wenig salzarm, aber gut, war es doch anders. Denn meine Mutter schlachtete keine Ente im 3. Wienergemeindebezirk für unser Mittagessen und frisches Brot vom Bäcker um die Ecke kam auch nicht jeden Tag auf den Tisch. Die frischen saftigen Paradeiser und Paprika, Eier und Schinken und noch vieles mehr, gab es auch nicht. Mit nacktem Kukuruz und Papier wurde Das Feuer im Herd entzündet und schon brodeltet Wasser vom Brunnen, welcher vor der Kirche, die zwei Straßen entfernt stand. Gelbes Wasser, so wird dort das Schwefelwasserstoff genannt mit dem man kocht und sich wäscht. 

Es gab kein Badezimmer im Haus, obwohl es groß war. Gewaschen hat sich jeder in einem Zimmer, dass sonst nicht benützt wurde. Ich glaube es war mal ein Wohnzimmer, doch wir haben uns dort nie aufgehalten. Es hatte zugedeckte schwere Möbelstücke und einen großen Spiegel. Das Leben spielte damals draußen. Auf der Veranda, im Garten oder auf der Straße. Abends sah’s man vor dem Haus und unterhielt sich mit den Nachbarn, die Männer pokerten manchmal und hatten wichtige, oder unwichtige Gespräche. Schuhe trug ich meistens nicht, doch waren meine Fuße immer sauber. Komisch, aber so war es damals.

Abends wusch man sich in einer Waschschüssel. Die Waschschüssel meiner Großmutter war nicht aus Keramik und hatte auch keine Bemalung, sondern sie war aus Emaille, alt und rot. Zuerst Hände und Gesicht, dann den Rest des Körpers mit einem Waschlappen und zum Schluss durften die Füße ins Wasser. Gut riechend und sauber stieg in dann  in mein Bett, welches eine Matratze aus Rosshaaren hatte. Einen großen Polster gefüllt mit Daunen und eine dicke Tuchent. Wenn man nachts aus dem Bett musste wurde es spannende. Da ich natürlich jeden Tag viel zu viel Wassermelone aß, lag eine kleine Nachtwanderung vor mir. Denn so wie es kein Badezimmer im Haus gab, so war auch die Toilette nicht zu finden. Natürlich gab es eine, aber die war draußen, ein  altes Plumpsklo mit sechs-beinigen Bewohnern und Unmengen an kleinen fliegenden Tierchen. 

Also zog ich mir irgendwelche Stiefel an, die vor dem Haus standen, und machte mich auf dem Weg. Zuerst bei den alten Pferdeställen vorbei, oder waren die Schweine dort früher zu Hause, ich weiß es nicht mehr. Auf jedem Fall mussten immer alle Gartentore geschlossen werden. Meistens war der Mond so hell, dass man keine Taschenlampe brauchte. Besonders, wenn man den Bereich der Hühner durchquerte, war Vorsicht geboten. Der Hahn des Hauses war sehr „Wanden-gesinnt“und nicht nur einmal hatte ich seinen scharfen Schnabel in meiner Wade. Somit hatte ich immer gerne die Gesellschaft eines Besens aus Reisig am Tag und auch in der Nacht dabei. Nach den Hühnern kamen die Enten und danach der Obstgarten. Dort stand das Plumpsklo, mit seinem ganz eigenen menschlichem Parfüm. Natürlich gab es kein Licht, somit blieb die Tür offen und meistens summte ich irgendeine Melodie, um mich von den Spinnen abzulenken. Wäre ich weiter gegangen, wäre ich im Gemüsegarten gelandet, wo auch Blumen wuchsen und ganz hinten war der Kompost. Auf der ganzen Länge gab es auf der anderen Seite eine große Scheune wo Heu und Kukuruz gelagert wurden.

Ganz ehrlich, meistens war mir der Weg viel zu lange und aufregend. Meine Mutter wollte ich auch nicht immer aufwecken, somit half ich den Rosen beim wachsen.

Ein oder zwei mal in der Woche kam eine Pferdewagen mit Wassermelonen. Der Mann schrie schon von Weiten und mit seinen lückenhaften Lächeln bot er allen seine Melonen an und eine Kostprobe, gehörte dazu. Es wurde ein  kleines Dreieck in die Melone geschnitten, dieses wurde einem aufgespießt auf einem scharfen Messer zum abbeißen hingehalten. Schmeckte einem die Melone wurde sie abgewogen und zu einem geringen Preis verkauft. Wenn ich den Melonenverkäufer schon von der Weite hörte, war ich vorm Tor und bereit. Das war mein liebstes Essen im Sommer. Wassermelone, ungarisches weißes Brot und Kipferl mit Streichkäse. Natürlich die Sonnenblumenkerne nicht zu vergessen. Die man in den Mund steckt mit der Zunge und den Zähnen teilt, den Kern isst und den Rest ausspuckt. Zum Schluss wird alles Ausgespuckte mit dem Besen aufgekehrt, den alles muss seine Ordnung haben.

Lange Spaziergänge war unser Sport jeden Tag. Becej ist nicht klein und natürlich haben wir alle Verwandten besucht. Wurden mit feuchten Küssen und Tränen begrüßt und wieder verabschiedet. Alle waren glücklich, dass ein Wiedersehen möglich war. Die Kinder spielten auf der Straße verstecken, oder machten irgendwelche Mutproben und die Erwachsenen unterhielten sich. Immer gab es Essen und es war eine Unart nicht zu essen. Meine Mutter nahm immer an Gewicht zu in diesen Wochen, doch so glücklich wie damals bei ihrer Familie habe ich sie selten gesehen. Es wurde geredet, gestritten, gelacht und geweint. Ist man nicht einer Meinung ist das auch egal, wenn man auseinander geht wünscht man sich ein gutes, gesundes Leben und noch ein Wiedersehen.

Auch zum Schwimmen gingen wir zu Fuß. Das war ein langer, langer Weg von so glaube ich einer Stunde. Oder zumindest Kinderfüße gefragt, eine halbe Ewigkeit. Auch ganz anders als in Wien. Manche der Bassins waren mit Schwefelwasser gefüllt und das war angenehm warm und es roch nach verfaulten Eiern. Das tolle daran war, jeder Schiefer den ich mir einzog oder jede andere Wunde die ich hatte waren in wenigen Tagen verschwunden. Schiefer arbeiteten sich ganz einfach heraus und meine aufgeschlagenen Knie oder Ellbogen waren in null komma nix verheilt.

1x die Woche gingen wir in ein Badehaus um zu Baden. Ein absoluter Luxus, denn eine Badewanne hatten wir nicht in unserem Gemeindebau aus den 50ziger Jahren. Somit war ich immer sehr überzeugend, dass ich allein baden muss, weil ich mich so am Besten waschen konnte. Erst viel später erkannte ich wie egoistisch ich doch war. Meine Anyukam badete mit meiner Schwester, doch nicht für lange, denn als ich so richtig am genießen war teilte auch in meine Wanne.

Zur Krönung unseres Urlaubs gingen wir einmal groß aus Essen, aber nicht nur Essen, es war immer ein absolutes Erlebnis einen richtigen ungarischen Mulatschag mitzuerleben. Herrliches Essen, Musik und natürlich nicht das Czardas-tanzen vergessen. Der Abend dauerte immer lang, ein absolutes Fest der Ausgelassenheit.

Die Abschiede waren schwer und geteilt von einer Vorfreude wieder in unser „normales Leben“ zu fahren. 

Noch heute sehne ich mich nach den Menschen von damals die schon lange nicht mehr sind. Wenn ich irgendwo Eine ungarische Unterhaltung aufschnappe, macht mein Herz einen kleinen Sprung und ein Lächeln huscht über mein Gesicht. 

Diese Waschschüssel und Kanne wecken jedesmal Erinnerungen und im Sommer im Garten zu sitzen und meine Füße zu kühlen ist ein wunderbarer Zeitvertreib.


2 Kommentare:

  1. What nice memories , it reads like a book from Kobsalik. What does Kipferl mean?

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  2. Welche wunderbare und poetische Beschreibung! Man fühlt sich richtig in diese Zeit versetzt! Boldog emlékek!😘😘😘

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