Dienstag, 27. Oktober 2020

60.560 Schritte ...

 


...41 km

In den letzten Wochen bin ich immer wieder einmal gewandert. Längere Strecken in meiner Umgebung, doch ich wollte mehr, sehr viel mehr. 

Ich würde gerne von Wien nach Mariazell wandern eine Stecke von 111 km, oder den Jakobsweg von Köln durch die Eifel nach Perl bzw. Schengen eine Strecke von 280 km. Von meinem jetzigen Wohnort Barsingerhorn in meine Heimatstadt Wien und natürlich den großen Jakobsweg.

Klein wollte ich beginnen und so hab ich mir die erste Strecke hier in den Niederlanden gesucht. Von meiner Haustür bis zur Haustür meiner Freundin an einem Tag. So mal ganz schnell, ich habe ja sonst nichts zu tun.

Mit dem richtigem Schuhwerk war ich nicht ausgestattet, das hat sich so leicht und schnell nicht gefunden und so mussten es meine Laufschuhe tun. Es ging, doch die guten Wanderschuhe möchte ich gerne zu Weihnachten! 

Letzten Samstag war der erste Tag an dem es nicht regnen sollte und somit  hatte ich den Tag im Auge. Meneer van Duin hat die Kinder übernommen und so konnte ich los.


Ausgestattet mit Rucksack, einigen Smoothies, Wasser, Äpfel und Banane, sowie einer Powerbank, Taschentücher und kleinem aber wichtigem Krimskrams ging es um 7:13 früh noch in totaler Dunkelheit aus dem Haus. Ich war so glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte alleine unterwegs zu sein und diese persönliche Herausforderung erleben zu können. Zu fühlen wie mein Körper damit umgeht, meine Gedanken zu hören und auf mein Gefühl zu achten. Ja, dass wollte ich!

Am Tag zuvor wurde mir noch zu einer App geraten die ich mir aufs Handy speicherte. Schnell war mein Weg bestimmt, den ich immer wieder ein bisserl geändert habe, weil ich natürlich auf der Strecke einiges sehen wollte, aber meine Wünsche brachten mich zu einer Strecke von 63km. Ein sehr unrealistischer Weg, wenn ich diesen an einem Tag schaffen möchte. Also wurde hier und da gekürzt und auf gings.


Die erste Strecke kannte ich schon, von meinen Wanderungen in den letzten Wochen, danach ging es mit der App weiter und promt hatte ich mich vergangen. Später sah ich aber, dass ich den angeratenen Weg eh' nicht gehen wollte, da der gatschig war und meine Schuhe waren neu gewaschen.

So ging es von Barsingerhorn über Haringhuizen nach Tolke. Tolke kannte ich noch nicht und ich war entzückt von manchen Häusern und einem kleinen Friedhof im Garten. Und, ich hatte schon wieder eine Markierung übersehen ging dann über Groenveld weiter nach Dirkshorn. ich beschloss die WanderApp immer an zu haben und in regelmäßigen kurzen Abständen nachzuschauen, ob ich noch am rechten Weg bin. Ein komisches Gefühl kann ich nur sagen. So bin ich noch nie gewandert, aber sehr, sehr hilfreich und auch manchmal verwirrend, bzw. irreführend. Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen, doch das hat nicht viel ausgemacht, denn ich hatte die richtige Jacke für den Tag gewählt. 


Der Weg durch den Holle Bolle Boom Park, ein Freizeitpark mit Bungalows zum Verbleib, hat mich nicht weiter gebracht sondern nur aufgehalten, das Tor, welches offen sein sollte war versperrt und nach einiger Zeit der Suche nach einem anderen Weg musste ich Umkehren, etwas, was ich noch einige male erlebt habe. Ich persönlich mag das Umkehren nicht, doch weiß ich aus Erfahrung, dass es leichter ist wenn man es mit einem Lächeln macht. 


Wieder auf dem richtigen Weg ging es über Kalverdijk nach Tuitjenhorn. Dazwischen hatte ich 2 herrliche kleine Äpfel vernascht, die auf dem Weg lagen und eine "kalte" Maroni. In Tuitjenhorn beschloss ich meinen Weg ein wenig abzukürzen, da ich fast eine dreiviertel Stunde mit suchen und umkehren verbracht habe. Auch hier habe ich einige nette Häuser und Gärten gesehen. Ideen gesammelt und immer wieder sind mir Lieder von früher eingefallen, die mein Vater mit mir sang wenn wir auf den Wiener-Hausbergen unterwegs waren. So trällerte ich das eine und andere Lied vor mich hin und genoss den Weg und die Sonne, die, nach einem Nieselregen, von Himmel zögernd lachte.


Ein schnelles Foto mit der Ortstafel Warmenhuizen und als ich den Fuß wieder auf den Weg setzte kam mir auf dem Fahrrad eine frühere Lehrerin von Vienne entgegen und grüßte mich. Wie schön, dass man sogar auf unbekannten Wegen bekannte Gesichter trifft. Warmenhuizen ist wunderschön. So eine schöne Innenstadt die ich schon kannte weil eine liebe Freundin dort wohnt. Ganz kurz hab ich daran gedacht, sie überraschend zu besuchen, doch ich wollte keine Zeit verlieren und bin weitergewandert. Habe wieder einmal einen gatschigen Weg ausgelassen und bin durch das Industriegebiet nach Schoorldam gegangen. Das war gar nicht nett es windete heftig und das mag ich gar nicht, noch dazu gab es nicht viel zu sehen.Die Belohnung kam als ich über die Schoorldammerbrug ging und kurz darauf im Bosje van Schermer landete. Da begann mein Weg im Wald. Herrlich diese vielen Bäume im herbstlichem Kleid. Ein Traum! Von da an war ich einige Stunden im Wald unterwegs.


Angekommen im Wald van Schermer wollte ich wissen, wie weit ich den schon gegangen bin. Um 13 Uhr zeigte meine Uhr 21 km an und 30.646 Schritte. Da dachte ich zum ersten mal, "Gut gemacht Alexandra, gut gemacht!" meine Füße taten schon ein wenig weh, doch strahlend ging ich weiter, ich war so cirka auf der Hälte. Ich, meine Gedanken und der herrliche Wald. Immer wieder habe ich Meneer van Duin altmodischer Weise SMS Berichte geschickt, damit er ja weiß, wo ich so bin und es mir gut geht.


Im Wald und Dünen Gebiet von Schoorl, hab ich mich nicht nur einmal verlaufen und immer wieder musste ich umkehren. Wenn diese Umkehren nicht wäre, doch zügig war ich immer wieder am rechtem Weg oder habe Alternatieven gefunden. Diese Waldgebiet ist herrlich schön und groß, sehr groß. In Erinnerung bleibt mir der Schlangenweg, denn da bin ich immer wieder d'rübergestopltert. Es gibt sogar eine Ski Schule. Kurz habe ich den niederländischen Kindern beim Skifahren zugeschaut und war verwundert. Meine Erinnerungen an das Skifahren kamen hoch. Der kalte Februarwind, die warmen Sonnenstrahlen, wenn man so hoch oben ist und der knirschende, weiße Schnee. Das waren schöne Winterurlaube. Da ich aber ein kleiner Angsthase bin und eher die leichten Pisten mag, war das Langlaufen eine andere schöne Winterbeschäftigung und manchmal auch in Wien möglich. Oh, wie bezaubernd war es durch eine herrliche Winterlandschaft und mit Schnee bezuckernden Wälder zu laufen.


Und schon sah ich das Schild Bergen. In Bergen ging es weiter durch den Wald und langsam wurde ich ein wenig nervös, denn mein Handy zeigte nur mehr 15% an. Die Powerbank wurde angeschlossen und ich lief weiter. Doch nach kurzer Zeit laden, war das Ladesignal nicht mehr zu sehen und ich versuchte mir die Zahlen der verschiedenen Wege einzuprägen. Zahlen und ich, leider keine gute Partnerschaft. Auf einmal war alles schwarz und mit einem Pipser verabschiedete sich mein Handy von mir. Was jetzt?


Es gab immer wieder vereinzelt Häuser im Wald, doch kann ich so einfach anklopfen und sagen: "Entschuldigung Sie bitte, haben sie mal eine Steckdose für mich?" In dem halben Lockdown indem sich die Niederlande im Moment befindet sind keine Restaurant's, Cafe's etc. geöffnet und somit ist alles ein wenig schwieriger als sonst. Eines wusste ich, ich muss aus dem Wald. Denn die Zahlen die ich mir gemerkte, habe ich auch nicht mehr gesehen und so war ich sicher ich bin vom rechtem Weg abgekommen. In der Stille hört es sich gut und leise hörte ich Autos zu meiner Linken. Also war das die richtige Richtung!


Nachdem ich die Straße erreicht hatte und diese entlang ging sah ich ein großes Schild mit einer Kuh darauf, "Kaasboerderij" stand da drauf und dort ging ich hin. Franschman Kaasboerderij, de Kaaswinkel Herenweg 5 in Bergen, diese Adresse werde ich so schnell nicht mehr vergessen. Ich ging hinein und fragte ob ich mein Handy laden darf. Überraschenderweise wurde gleich JA gesagt. Mit einer Sauermilch, und einem erleichtertem Herzen wartet auf einem Bankerl vorm Käseladen, bis ich weiter konnte. Die erste richtige Pause. Meine unterwegs gesammelten Schätze, Blumen und Blätter, legte ich in mein Tagebuch und schrieb so einiges von meiner Wanderung schon mal nieder und noch etwas tolles, ich durfte die Toilette benutzen, was für eine Erleichterung. 


Mit halbaufgeladenem Handy ging es weiter, doch musste ich meine Route ändern, denn es sollte schon bald dunkel werden. Im Dünengebiet im dunkeln das wollte ich nun wirklich nicht, also musste ich mich mit der Straße begnügen und diese Entscheidung war eine Gute. Meine Beine und unterer Rücken machten sich schon langsam bemerkbar. Ich hatte noch ca. 13 km vor mir und war müde. Eigentlich hätte ich aufgeben können, aber "aufgeben tut man nur einen Brief!"


Somit ging es auf dem Fahrradweg durch die Orte Het Woud, mit einem Restaurant, dass mich sofort angesprochen hat. Natürlich war es geschlossen, aber da möchte ich gerne mal mit meiner Familie Essen gehen. Danach ging es durch Wimmenum, Egmond aan den Hoef, da hätte ich gerne die Wasserschlossruine gesehen doch es war zu dunkel. Rinnegom und Egmond Binnen da verlies ich für einige Zeit den Radweg und ging durch die Stadt. Schaute in so manche Häuser,  sah die Zuhause gebliebenen kochen, essen und spielen und natürlich ganz typisch fernsehen. Ein älterer Herr, mit Brille und halber Glatze, sahs auf einem alten Ohrensessel in seiner Wohnzimmer-Bibliothek und las.

Nach Egmond Binnen wurde es wirklich schwer. Nach einem kurzem Telefonat mit meiner jüngsten Tochter die mir von ihrem Tag erzählte und den Eindrücken des Familienlebens durchs Fenster. Spürte ich so richtig wie mir alles weh tat, ich hatte schon großen Appetit und die Dunkelheit machte das Gehen nicht mehr attraktiv. Es war schon spät, ich hatte keinen Proviant mehr und mir wurde langsam kalt. Meine Knie taten nun auch weh und der Rucksack wurde immer schwerer. Es war Zeit anzukommen!


Die letzte Stunde war die schwerste von allen. So alleine in der Dunkelheit wandernd war nicht lustig und sehen wollte ich auch nichts mehr. Wie froh war ich als ich endlich das Ortsschild Bakkum sah. Die Strecke die ich mit dem Auto nur allzu gut kenne wurde immer länger, obwohl sie kurz ist. Dann nach ewigen Minuten kam ich endlich in Castricum an. Ich habe es geschafft, nur mehr über den Bahnübergang, hinten rum' einen kleinen Weg den ich kenne und schon war ich in der richtigen Straße, die an den Goldregen erinnert.


Ich habe es geschafft!

Ich strahlte von einem Ohr zum anderen alles war für einen kurzen Moment vergessen und ich spürte nur mehr die große Freude in mir. Ich habe es geschafft!

Von meiner Haustür bis zur Haustür meiner Freundin und das in 60.560 Schritten, ein bisserl mehr als 13 Stunden und 41 km. 20:26 Uhr.

Verwöhnt wurde ich mit einem leckerem Fisch und Gemüse und  konnte es gar nicht glauben und hab immer wieder gedacht "Ich habe es geschafft!"

Meneer van Duin und meine beiden jüngsten Kinder kamen ein bisserl später, um mich nach Hause zu bringen, denn zu Fuß wollte ich nicht mehr gehen!

Welche Strecke nehme ich mir als Nächstes vor? 

Und welche Wanderschuhe werde ich mir zulegen? Denn in Laufschuhen werde ich bestimmt nicht mehr so eine lange Strecke gehen.

Ich habe es geschafft und auch jetzt gerade lächle ich und bin sehr, sehr glücklich. Manche Muskeln schmerzen ein wenig und wenn ich aufstehe braucht es ein bisserl, aber das war es Wert.

Ich habe es geschafft!